Global #50: Jetzt mal Klartext – Indien ist kein einfaches Radreiseland

Zentralindien hat einige schöne Ecken wie z.B. den weitläufigen Pench Nationalpark im Bundesstaat Madhya Pradesh zu bieten. Aber die letzten Tage war mir gar nicht mehr danach, da ich mir eine heftige Magendarminfektion eingefangen habe. Bei der katastrophalen Hygiene ist es in Indien nur eine Frage der Zeit bis man durch einen Händedruck, verunreinigtes Essen oder Wasser Kolibakterien oder andere Darmerreger aufnimmt.
Als Radfahrer ist man dann besonders hart betroffen, denn wenn die Verdauung nicht funktioniert können Kreislauf und Körper keine Leistung  liefern. Zudem reagiert der Körper entsprechend und durch den eingehenden Durchfall verliert man Unmengen an Flüssigkeit, welche man beim Radfahren ohnehin ausschwitzt. In besonders schweren Fällen wie bei mir fühlt man sich auch kraftlos, schlapp und appetitlos, wodurch die Tage zur Tortur werden.

Obwohl ich bisher schon auf früheren Reisen in der Türkei und Marokko Magendarminfektionen ausstehen musste sind hier in Indien die Rahmenbedingungen wesentlich härter. Denn überhaupt noch irgendwelche magenverträgliche Kost zu finden gestaltet sich als außergewöhnlich schwierig. Abseits der Touristenspots hat man häufig nur die Wahl zwischen Samosa (Kartoffelfüllung im Teigmantel) und anderen fettig frittierten Chips. Und in den wenigen Restaurants ist die Auswahl auch nicht vielseitiger und beschränkt sich meist auf Dal mit Reis oder Thali, was generell immer zu scharf gewürzt ist.

Ein weiterer Stressfaktor sind die Inder selber. Die meisten haben noch nie einen Ausländer gesehen und sind voll aus dem Häuschen wenn sie ein seltenes Exemplar – und dann auch noch so einen exotischen Radfahrer – treffen. Da wird dann schon beim Vorbeifahren auf dem Motorrad das Handy gezogen, um einen dann unmittelbar zu bitten für ein Selfie mal kurz anzuhalten. Und das passiert mir nicht hin und wieder, sondern täglich dutzende Male. Das fühlt sich dann irgendwann so an, als ob man permanent von einem Schwarm Fliegen umgeben ist. Anfangs konnte ich darüber noch lächeln, aber mittlerweile ist mir das Lachen aufgrund meiner kränklichen Verfassung vergangen. Ich bin doch keine rollende Freakshow! Der Höhepunkt war kürzlich, als ich in der Stadt Nagpur von einem Motorradfahrer während der Fahrt in ein freundliches Gespräch verwickelt wurde. Obwohl ich ihm anfangs erklärte, dass ich bitte kein Selfie knipsen möchte, habe ich mich letztendlich doch überreden lassen. Als wir dann am Straßenrand stoppten standen sofort drei andere indische Motorradfahrer mit ausgestrecktem Smartphone hinter mir. An vielen Tagen fühle ich mich als Radfahrer wie ein Stück Vieh, welches quer durch das ganze Land getrieben wird.

Der abschliesende Ko Faktor auf so einer Indienradreise ist der höllische Verkehr. Es wird dabei nicht nur ständig gedrängelt und einem die Vorfahrt geschnitten. Nein, das schlimmste ist das permanente Gehupe mit dem jeder versucht die Oberhand im heillosen Chaos für sich zu beanspruchen. Die meisten Lkw’s und TukTuks haben sogar extra Hupanlagen mit denen sie ganze Melodien dudeln können. Auf einer kleinen Dorfstraße kann somit schnell mehr Lärm als auf einer deutschen dreispurigen Autobahn entstehen.

Wenn man dann noch überall das Elend und den Dreck sieht, verschmutzte Wälder und Flüsse, verwahrloste Kinder und Familien in heruntergekommenen Slums, die zwischen Abwässern und Müllbergen in Wellblech- und Strohhütten hausen kann man schnell an seine emotionalen Grenzen stoßen.

Ich empfehle daher niemanden eine Radreise durch Indien, sofern er keine enorme Herausforderung oder sonstige tiefgründige Erkenntnisse sucht. Für mich ist jetzt schon sicher, dass der südasiatische Kontinent zukünftig ein schwarzer Fleck bei meiner Tourenplanung bleiben wird.

In diesem Sinne beende ich diesen Beitrag mit der alten Packpacker-Weisheit:

I.N.D.I.A.  –  I Never Do It Again (zu deutsch: „Ich mache es nie wieder“)

Fünf Minuten vor dem Mobilfunkshop und schon werde ich umlagert. 
Szenen wie diese vermitteln eigentlich ein harmonisches Bild von Indien…
…aber die ständige Neugierde der Inder kann schnell anstrengend werden.
Und natürlich wird auch ohne zu fragen alles angefasst und die Gangschaltung verstellt. 
Einer der vielen Motorradfahrer, welche mich täglich zum Selfie anhalten möchten. 
Die Landschaft in Madhya Pradesh – dem Herzen Indiens – ist atemberaubend schön. Aber leider habe ich dafür kaum noch Ruhe. 
Vom Apotheker bekomme ich eine Elektrolytlösung und Ofloxacin & Ornidazole Tabletten gegen meine Magendarminfektion.