Um so tiefer ich in den Bundesstaat Maharashtra vordringe, desto ländlicher wandelt sich das Umland. Zunächst reise ich über eine entlegene dünnbesiedelte Hochebene bis Gokak und folge dann wieder dem Flachland entlang endloser Zuckerrohrplantagen und Reisfelder. Die Ruhe wird nur von den vorbeifahrenden bunt geschmückten Traktoren mit ihren überdimensionalen Lautsprecherboxen, aus denen pausenlos indische Popmusik a la Bollywood und Techno dröhnt, gestört.
In den Morgenstunden wird es bei Zeiten lebhaft, sodass schon kurz nach 7 Uhr viele Menschen unterwegs sind. Am Straßenrand hocken Junge und Alte, Männer wie Frauen und verrichten ganz ungeniert ihre kleine und große Notdurft. Obwohl ich mittlerweile wieder alleine unterwegs bin mangelt es mir nicht an Gesellschaft. Die vorbeifahrenden Motorradfahrer verwickeln mich häufig in Gespräche oder wollen ein Selfie mit mir machen und bei kurzen Stopps am Straßenrand versammelt sich jedes Mal eine Graupe von Menschen um mich, was mich aber nach fast zwei Monaten Indienreise gar nicht mehr stört.
An einem Nachmittag halte ich an einem Saftstand und möchte mir einen frisch gepressten Ananassaft gönnen. Zwei Männer und eine Frau vor dem Stand stellen sich als Lehrer einer örtlichen Schule vor und nachdem ich ihnen erzähle, dass ich aus Deutschland komme und eine Radreise um die Welt unternehme, erzählen sie mir angeregt, dass sie mit ihren Schülern das Tagebuch der Anne-Frank behandeln. Während man in vielen arabischen Ländern und im Iran häufig ein positives und verfälschtes Bild vom deutschen Nationalsozialismus hat, bin ich erfreut, dass die Gräueltaten der Nazis in Indien kritisch betrachtet werden.
Als ich in der Stadt Vijayapura ankomme fällt mir das gewaltige Bauwerk „Ibrahim Rauza“ ins Auge. Das imposante Grabmal wurde von der Adil Shahi Dynastie Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut. Man vermutet übrigens, dass die Architektur Inspiration für das weltberühmte Taj Mahal in Agra war. Ich nutze die Ruhe am Morgen und erstehe ein Ticket für 200 Rupie um mir die beeindruckende Anlage anzuschauen. Anschließend erledige ich noch kleinere Einkäufe auf dem Markt und lasse mir ein Masala Dosa (Fladenbrot mit Kartoffelfüllung) in einem Straßenbistro schmecken. Das ebenfalls sehr sehenswerte Mausoleum „Gol Gumbaz“ von Mohammed Adil Shah besichtige ich leider nicht mehr, da mich Lärm, Streß und Aufmerksamkeit der Großstadt allmählich zermürben. Zur Abwechslung geht es dann am Nachmittag über ländliche Straßen durch nichtssagende Dörfer wie Jambagi oder Tamba.