Es klingt schon fast nach Ironie. Nachdem ich bereits eine schwere Magendarminfektion auf meiner Fahrt nach Varanasi ausstehen musste bin ich zwei Wochen später und kurz vor Nepal erneut gezwungen zu pausieren und meinem Körper Ruhe zu gönnen. Wieder mit heftigen Magendarmbeschwerden suche ich keine 60 Kilometer südlich der nepalesischen Grenze in der Stadt Areraj ein Hotel auf. Der Eigentümer will anfangs 800 Rupie (ca. 10 Euro) pro Nacht, letztendlich kann ich den Preis aber auf die Hälfte drücken, was für das ungeheizte eiskalte Zimmer mehr als fair ist. Insgesamt benötige ich vier Nächte Schlaf, Unmengen an Ofloxacin-Tabletten (Antibiotika) und literweise Elektrolytlösung bis sich mein Körper wieder normalisiert. Übrigens kommen mir bei dem Einsatz des Antibiotikums so allmählich Bedenken, da diese unter Umständen die gesamte Darmflora stören und somit auch das Immunsystem leiden kann. Leider habe ich keine andere Wahl und bin erleichtert, als es mir nach dem zweiten Tag bereits wesentlich besser geht.
Die Tage nutze ich auch um durch die lebhafte Kleinstadt zu schlendern und genieße es regelrecht mal keine Aufmerksam zu erregen. Während ich mit dem Fahrrad ständig die gleichen Fragen beantworten muss und ständig für Selfies posieren soll, kann ich ohne Rad ungestört den Alltag beobachten, Einkäufe erledigen oder mich entspannt in ein Restaurant setzen und einen Tee trinken. Und nachdem ich in Indien fast täglich sehr viel Frust angestaut habe, beginne ich nun doch noch das Land zu mögen und die Menschen ein Stück besser zu verstehen. Zumindest solange bis ich wieder auf mein Fahrrad steigen muss 😉
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Hauptverkehrskreuzung in Areraj |
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Rikscha-Fahrer prägen häufig den indischen Stadtverkehr. |
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An der indisch-nepalesischen Grenze ist Chaos 🙂 |
Am 10. Januar 2018 kommt dann endlich die Erlösung und ich verlasse Indien am Grenzübergang Raxaul / Birganj nach Nepal. Im Immigration Office bekomme ich problemlos mein Visum on Arrival. Man kann hier wählen zwischen 15 Tage/ 25 US Dollar und 30 Tage/ 40 US Dollar, wobei für mich die 15 Tage vollkommen ausreichen.
Bis zur Stadt Hetauda ist die Strecke noch sehr trostlos und auf den Straßen herrscht viel Verkehr. Am ersten Abend in Nepal nehme ich mir ein Gasthaus und komme beim Essen mit dem Sohn der Inhaberin ins Gespräch. Er ist Anfang 20, studiert Ingenieurwesen und ist sehr an meiner Reise, aber auch an Deutschland interessiert und natürlich erfahre ich auch gleich einiges über Nepal und bekomme Unmengen an Tipps. Als er mir dann noch zum Abschied eine alte Sim-Karte für mein Handy schenkt bin ich erstaunt über so viel Hilfsbereitschaft und Vertrauen.
Am nächsten Tag geht es dann endlich in die Berge. Morgens ist es wie üblich neblig und grau. Aber als ich auf knapp 500 Höhenmeter bin reist auf einmal die Sonne das Nebelband auf und ich sehe das erste Mal seit zwei Wochen den blauen Himmel. Der folgende Aufstieg zum Pass wird jedoch sehr anspruchsvoll und mühsam. Dennoch genieße ich jeden Kilometer und finde nach den frustrierenden Wochen in Indien endlich wieder Freude und Spaß am Radreisen.
Für die gut 200 Kilometer lange Passstraße bis Kathmandu lasse ich mir drei Tage Zeit und aufgrund der schlechten Straßen komme ich ohnehin nur langsam vorwärts, habe es aber auch nicht eilig. Immer wieder lege ich Pausen ein zum Fotografieren, genieße die Fernsichten oder trinke einen Tee. Obwohl der Verkehr auf der engen kurvigen Straße nicht sonderlich störend ist, bin ich überrascht wie viele Lkw’s sich dennoch über diese Route quälen, zumal es bessere Fernstraße nach Kathmandu gibt.
Am zweiten Tag meiner Passüberquerung ist es morgens recht kühl aber ohne Frost. Als ich gerade meinen Schlafsack einpacke kommt hinter mir ein älterer Mann mit einer Milchkanne gelaufen. Er ist unterwegs ins nächste Dorf und schenkt mir einen Schluck Milch für meinen morgendlichen Tee. Nach kurzem Gespräch verabschieden wir uns und ich starte gut gelaunt in den Tag. Der Pass verläuft auf 2.500 Höhenmeter, sodass ich bis dahin noch gut 1.200 Höhenmeter zu bewältigen habe. Dabei schlängelt sich die Straße grazil durch die Gebirgslandschaft und formt unzählige Serpentinen in die steilen Hänge.
Erst am frühen Nachmittag erreiche ich den Scheitelpunkt und werde sogleich mit einem Blick über die fernen schneebedeckten Gipfel des Himalaya belohnt. Nachdem ich mir ein ausgiebiges Mittagessen gönne, geht es kontinuierlich talwärts Richtung Kathmandu. Die Landschaft ist geprägt von kurvenreichen Straßen, unzähligen Siedlungen und steil abfallenden Hängen mit brachliegenden Reisterassen.
Am dritten Tag muss ich nur noch 30 Kilometer bis nach Kathmandu radeln, wobei ich nochmal einen beachtlichen Anstieg bewältigen muss. Auf der Hauptverkehrsstraße tummeln sich nun auch unzählige Autos, Lkw’s und Busse, welche alle knatternd und stinkend an mir vorbeiziehen. Aufgrund der hohen Verkehrsbelastung leidet das gesamte Kathmandu-Tal seit Jahren unter extremer Luftverschmutzung, welche durch die geographische Kessellage und der somit geringen Luftzirkulation noch verschlimmert wird. Bis zu meinem Weiterflug nach Myanmar / Rangun am 22.01.2018 verweile ich nun noch in der nepalesischen Hauptstadt und nutze die Zeit zur Stadtbesichtigung und Entspannung.
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Elias aus Spanien treffe ich in Nepal. Er ist unterwegs nach Indien und kam mir entgegen. |
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Die Landschaft ist unbeschreiblich schön und so macht auch das Radreisen wieder Spaß. |
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Auf unzähligen Serpentinen quäle ich mich den Pass hinauf. |
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Und werde immer wieder mit tollen Aussichten belohnt. |
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Hier ist es nicht mehr weit bis zum Scheitelpunkt. |
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Nur noch 80 Kilometer bis Kathmandu. |
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In der Ferne erblicke ich die schneebedeckten Gipfel des Himalaya. |
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Tempel und Straßen sind häufig mit bunten Fahnenbändern geschmückt. |
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Auf der anderen Seite des Passes geht es wieder stetig talwärts. |
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Die Täler sind tief und auf den Hängen sind stufenförmig Reisterassen angelegt. |
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Morgendliche Straßenszene eines Bergdorfes. |
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Noch ist wenig Verkehr auf den Straßen. Im Tagesverlauf wird es aber deutlich mehr. |
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Ankunft in Kathmandu. |
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Frisch gebackene Donuts – nach nepalesischer Art aus Reismehl. Sehr verbreitet sind auch „Sel Roti“. |