Archiv für den Monat: Juni 2018

Global #83: Welcome in Canada // Niagara Falls // Toronto

Die Einreise von den USA nach Kanada ist abgesehen davon, dass man nicht mit dem Fahrrad über die „Embassador Bridge“ von Detroit nach Windsor radeln darf, unproblematisch. Ich packe deshalb mein Reiserad samt Packtaschen in das Auto meines Gastgebers Kevin und in weniger als einer Viertelstunde sind wir bereits auf der kanadischen Seite.

Nach einem extrem heißen Juniwochenende in Detroit sind die folgenden Tage in Kanada verregnet, windig und kühl, was ich aber mittlerweile zu schätzen gelernt habe und dem sonst schwül-heißem Wetter vorziehe. Südlich der Stadt London (nicht zu verwechseln mit der Hauptstadt von Großbritannien 😉 treffe ich mich in St. Thomas mit der Französin Laura wieder. Gemeinsam fahren wir bis zu den Niagarafällen, wobei wir uns unterwegs viel Zeit lassen und regelmäßig Kaffeepausen einlegen.
Auf der Grenze zwischen Kanada und den USA gelegen stürzen hier die Wassermassen von dem südlichen Erie-See in den Ontario-See. Die charakteristische Form eines Hufeisens verdanken die Niagarafälle dabei einer geologischen Besonderheit. Weil unter dem harten Dolomitgestein der Oberfläche weiches Schiefergestein liegt, korrodiert letzteres bei den Übergängen. Weil die weiche erodierte Schicht das schwere Dolomitgestein nicht mehr tragen kann fällt dieses in das Flussbett, wodurch sich die Niagarafälle jährlich um durchschnittlich 1,8 Meter dem Erie-See annähern.

Nach diesem spektakulären Naturspektakel muss ich mich leider von Laura verabschieden.  Denn hier trennen sich unsere Wege und während sie direkt Richtung New York radelt geht es für mich entlang des Ontario Sees hinauf bis Montreal. In der Stadt St. Catherine nehme ich dankend die Einladung von John und seiner Familie an, welchen ich am Tag zuvor getroffen habe. Er ist seit einigen Jahren pensioniert und engagiert sich im Radsport, wodurch es uns am Abend nicht an Gesprächsstoff mangelt.
Nach einem leckeren kanadischen Frühstück mit meinen Gastgebern (Blaubeer-Pfannkuchen mit Ahornsirup) geht es für mich am folgenden Morgen Richtung Toronto. In Burlington (südlich von Toronto) kann ich bei Johns Tochter und Schwiegersohn übernachten und freue mich einmal mehr über die kanadische Gastfreundschaft.
Am folgenden Morgen sind es bis ins Zentrum von Toronto noch gute 40 Kilometer und aufgrund des starken Berufsverkehrs komme ich dort erst am frühen Nachmittag an. Die Skyline mit dem CN-Tower vor dem blauen Ontario See ist spektakulär, aber nach einer Fahrt durch das Finanzzentrum ist mir die Hektik und der Lärm zu viel, sodass ich bereits nach einer Stunde wieder die Stadt verlasse und dem Waterfront Trail folge, welcher entlang des Ontario Sees bis nach Montreal führt. 
Obwohl Kanada grundsätzlich ein grünes Image pflegt setzt das Land intensiv auf Kernkraft und so passiere ich nur wenige Kilometer außerhalb der Millionenstadt das Kernkraftwerk „Pickering“. Während man in Deutschland etwa 0,25 Euro für die Kilowattstunde zahlt sind es in Kanada umgerechnet gerade einmal etwa 0,10 Euro. Doch auch wenn die Informationstafel vor dem Eingang des AKW selbstbewusst auf die zurückliegenden 40 Jahre störungsfreien Betrieb verweisen ist es nur eine Frage der Zeit bis irgendwann irgendwo die nächste Katastrophe ihren Lauf nimmt.

Von London nach Dresden war es nur ein Katzensprung 😉
Nicht alle Kanadier sind so unsympathisch wie dieser Mann in schwarz.
Baseball ist auch hier sehr beliebt.
Die morgendliche Pause nutzt Laura um ihre gebrochene Zeltstange zu reparieren.
Unsere Begegnung mit den Simpsons 🙂
Die Niagarafälle sind trotz des verregneten Wetters sehr eindrucksvoll.
Die gleichnamige Stadt „Nigara Falls“ ist in den letzten 20 Jahren zu einer Touristenstadt a la Las Vegas verkommen.
Der Höhenunterschied zwischen dem Erie-See und dem Ontario-See wird zur Wassererzeugung genutzt.
Der passionierte Radsportler John und seine Familie laden mich zum Abendessen und Übernachtung ein. 
Kanada ist multikulturell geprägt und so wird jedes Fußball WM-Spiel gefeiert – hier Portugal gegen Iran.
Dem Waterfront Trail folgend fahre ich durch Toronto.
Der CN-Tower und die Downtown sind beeindruckend.
Nur wenige Kilometer von der Millionenstadt Toronto entfernt liegt das Atomkraftwerk „Pickering“.

Global #82: Detroit – Wiege der amerikanischen Automobilindustrie oder Zentrum der Urbanen Gartenbau-Kultur

Seit dem eintretenden Verfall der amerikanischen Automobilindustrie in den 1970er Jahren hat sich das Stadtbild Detroits dramatisch geändert und die Auswirkungen sind bis heute weithin sichtbar. Von den ehemals zwei Millionen Einwohnern sind allein in den Jahren 2000 bis 2010 über 250.000 Einwohner abgewandert, sodass heute nur noch knapp 650.000 Menschen hier leben. Davon zeugen auch die Wohnviertel, die mit unzähligen leerstehenden Häusern, Geschäfts- und Fabrikgebäuden wie Geisterstädte wirken.
Obwohl noch heute Automobilriesen wie General Motors oder Chrysler hier produzieren und zu den wichtigsten Arbeitgebern zählen haben sich in den letzten Jahren auch neue Firmen der Branchen Raumfahrt, Energieversorgung, Fahrradbau und Landwirtschaft niedergelassen. Durch die niedrigen Grundstücks- und Mietpreise haben sich zudem unzählige Künstler und Kreative angesiedelt, welche das Stadtbild maßgeblich mitgestalten.
Bei und  mit meinen Gastgebern Kevin und Audrey verbringe ich das Wochenende in der City und mit ihren Freunden unternehmen wir am Freitagabend eine Kneipentour und besuchen anschließend die „Temple Bar“, wo sich die Technoszene Detroits trifft.
Nach einer kurzen Nacht und noch leicht verschlafen besuchen wir Samstagmorgen den „Eastern Market“, wo wir neben ein paar kleinen Snacks lokales Obst, Gemüse, Eier, Speck und Kräuter einkaufen und anschließend ein leckeres Frühstück genießen.
Mittlerweile landesweit bekannt ist Detroit auch für seine städtische Gartenbaukultur. Ursprünglich aus der Not heraus entstanden, dass sich viele Einwohner aufgrund der fehlenden Einkommen kaum frisches Gemüse und Obst leisten konnten, haben sich daraus über die Jahre weitverzweigte gut organisierte Projekte entwickelt, welche zunehmend auch mit Schulen und sonstigen Einrichtungen verknüpft sind. Einer dieser Stadtgärten ist die „Michigan Urban Farming Initiative“, kurz MUFI. Auf dem gut einen Hektar großen Grundstück im Norden Detroits sind neben mehreren Gewächshäusern diverse Beete und Hochbeete, ein Bienenhaus, eine Streuobstplantage und natürlich ein Vereinshaus integriert. Wer Lust und Laune hat kann hier gerne zu den regelmäßigen Arbeitseinsätzen vorbeischauen, was bei mir leider zeitlich nicht geklappt hat.
Bevor es für mich über den Detroit River nach Kanada geht, besichtige ich am Sonntagvormittag noch die „Ford Piquette Avenue Fabrik“ – die Wiege des Automobilherstellers Ford. Als der Hersteller Henry Ford mit der damals revolutionären Fließbandfertigung das   massentaugliche und preiswerte „Model T“ auf den Markt brachte, war quasi über Nacht das Automobil für jedermann erschwinglich und das neuartige Produktionsverfahren wurde schnell zum Standard in der gesamten Industrie. In den Folgejahren schossen dann immer größere Fabriken aus dem Boden und beschäftigten tausende Arbeiter, bis dann die nächste Revolution, die Automatisierung sowie die Globalisierung den Untergang der einst stolzen Automobilindustrie einleitete.
Entlang des Detroit gelange ich von Süden kommend in die Stadt Detroit.

 

Die Konzernzentrale von General Motors und das Baseball Stadion der „Tigers“.
Die Ambassador Brücke, welche Detroit mit der Stadt Windsor (Kanada) verbindet.
In Detroit sind über 80 Prozent der Einwohner Afroamerikaner.
Der Stadtgarten „Mufi“ im Norden der Stadt.
An den Fassaden verlassener Häuser und Fabriken findet sich überall kunstvolles Graffiti.
Überall kann man leerstehende Fabriken und Häuser finden.
Mit meinen Gastgebern Kevin und Audrey gehen wir Freitagnacht in der „Temple Bar“ feiern.
Die Ford Piquette Fabrik
Heutige Produktionsstätten der Automobilindustrie.
Arbeitszimmer von Henry Ford. In den einstigen Produktionshallen findet sich heute eine Oldtimer-Ausstellung.
Die Entwicklungsabteilung von Ford. Hier wurde das Model T entwickelt.

Global #81: Helikoptereltern // Mein 30. Geburtstag // Wenn der Hund zubeißt

Seitdem ich im Mittleren Westen der USA unterwegs bin habe ich viel Zeit und damit auch eine gewisse Langeweile. Und so nutze ich hin und wieder die vielen städtischen Parks für eine längere Pause. Diese sind meist so weitläufig, dass in der Regel ein Baseballfeld, eine Spielwiese, ein Frisbee-Golf-Parkur und ein Fußballfeld integriert sind. Und selbstverständlich gibt es Wifi. Nach der Schule kommen am späten Nachmittag dann auch die ersten Kinder. Besonders auffällig ist aber jedes Mal, dass sie nie alleine kommen, sondern stets von ihren Eltern im Van oder SUV hergefahren werden und dann auch die ganze Zeit von denen betreut oder vielmehr überwacht werden. Typischer Fall von Helikopter-Eltern! In meiner Kindheit wäre das unvorstellbar gewesen, dass Eltern uns Kinder betreut hätten. Wir waren ja schließlich keine Weicheier 😉
Aber hier sind Helikoptereltern keine Ausnahme und so ist nach der strafen Unterrichtszeit in der Schule noch bis zur letzten Minute Freizeit alles schön durchorganisiert…
Der 9. Juni ist für mich ein bedeutsames Datum, mein 30.  Geburtstag. Umso mehr freue ich mich, dass mich Laura, die französische Radfahrerin, welche ich in Arizona/ Utah kennengelernt habe anschreibt und mit mir zusammen meinen Geburtstag feiern möchte. Wir treffen uns also in der Stadt Kankakee/ Illinois und nehmen uns am folgenden Tag eine Auszeit in der Kleinstadt Momence, wo wir den Tag mit Pancakes bei Burger King beginnen, mittags eine Pizzeria besuchen und uns am späten Nachmittag mit Bier, Chips  und einer Buttercremetorte belohnen 😉 
Ab und zu muss man sich eben auch Mal etwas gönnen.
Leider schlägt am folgenden Tag das Wetter um und bei Nieselregen verabschieden wir uns, da Laura nach Norden zum „Lake Michigan“ möchte und ich nach Westen Richtung Detroit und Kanada radel. Mein Weg führt mich fernab der Highways über kleinere Landstraßen vorbei an unzähligen Farmen, wobei mir die ausgeprägte Amische Gemeinde auffällt, welche besonders im Staat Indiana stark vertreten ist. Diese Glaubensgemeinschaft hat ihre ursprünglichen Wurzeln in der Schweiz und Süddeutschland und lebt ein stark landwirtschaftlich geprägtes Leben, wobei sie moderne Technologien wie z.B. Elektrizität größtenteils ablehnt. Daher sieht man auf den Straßen auch unzählige Pferdegespanne. Und weil sie Elektrizität ablehnen werden ihre Werkzeuge und andere Maschinen häufig mit Druckluft betrieben.
Bei all dem Traditionsbewusstsein schottet sich die amische Gemeinde jedoch keineswegs ab und so treffe ich beim täglichen Einkauf oder früh morgens bei McDonald’s immer wieder auf traditionell gekleidete Anhänger der Glaubensgemeinschaft, die gut integriert zu sein schein und mich jedes Mal freundlich grüßen, weil ich als Radreisender vermutlich auch ihre Ansichten und Werte vertrete.
Ein eher unerfreuliches Ereignis passiert mir unweit der Stadt Detroit als ich auf einer abgelegenen Straße eine Farm passiere, der freilaufende Hund auf mich aufmerksam wird und mich verfolgt. Bei großen Hunden wie diesem halte ich immer an und versuche zunächst den Hund einzuschätzen und abzuwarten. Doch dieser verhält sich etwas anders, schnappt unvorhergesehen zu und beißt mir in die rechte Wade. Obwohl der Biss nur spielerisch und kurz ist, habe ich einen Abdruck im Bein und drei kleine blutende Bissspuren. Der herbeieilende Besitzer hilft mir jedoch schnell beim Desinfizieren und entschuldigt sich mehrmals, wobei er mir sogar seine Kontaktdaten gibt und versichert für alle eventuellen Arztkosten aufzukommen. Am späten Nachmittag ist die Bisswunde bereits gut verheilt und der Schrecken fast vergessen. Dennoch werde ich bei Hunden jetzt etwas vorsichtiger sein, wobei dies nach 26.000 km Radreise auch mein erster Zwischenfall war.
Überquerung des Mississippi River bei Burlington
Der Bundesstaat Illinois ist stark ländlich geprägt.
Nachstellung einer Bürgerkriegsszene während des Stadtfestes in Momence.
An meinem 30. Geburtstag feier ich mit Laura und wir gönnen uns eine Pizza.
Und natürlich darf auch eine Geburtstagstorte nicht fehlen.
Leider schlägt am nächsten Tag das Wetter um und wir verabschieden uns am Nachmittag.
In Indiana ist die amische Gemeinde besonders stark vertreten.
Auf einer Landstraße werde ich von einem Hund gebissen.
Helikopter-Eltern betreuen ihre Schützlinge auf dem Spielplatz.

Global #80: Outtakes – Kuriositäten in den USA (Teil I)

Obwohl die USA und Europa sich zunehmend weniger unterscheiden, gibt es immer noch viele alltägliche Kleinigkeiten, welche einem als Ausländer sofort auffallen und teils irritieren. Besonders skurril empfinde ich den Patriotismus und Heroismus, der im amerikanischen Denken sehr tief verankert ist. Nachfolgend ein kleiner Einblick in den verrückten amerikanischen Alltag.

1) Offensichtlich reichen die Steuereinnahmen nicht aus und so können Privatpersonen, Firmen oder Vereine ihren Highway adoptieren.

2) Militarismus ist selbst beim Einkaufen im Walmart präsent. Aus Sixpacks wird ein Panzer gebastelt und an der Wand hängen die Porträts der gefallenen Soldaten.

3) Das Navy Career Center ist gleich neben der Gamestop-Filiale. Zufall oder strategische Planung 😉 ?

4) Der „Freedom Rock“ in der Stadt Creston. Da kann man schon erahnen mit welchem Blick die USA auf die Welt schaut.

5) Auch nach über einem Jahr seit der Präsidentschaftswahl ist Amerika politisch tief gespalten.

6) Warnleuchte für Radfahrer im Tunnel. Das nenne ich Mal innovativ.

7) Statt massiv mit Stein wird in den USA fast immer mit Holz gebaut. Das spart natürlich erheblich Kosten.

8) Solche Schilder sieht man wahrscheinlich nur in den USA.

 9) Im Walmart (größter amerikanischer Supermarkt) gibt es ganz selbstverständlich auch Schusswaffen zu kaufen.

10) Falls meine Reisekasse knapp werden sollte, wäre das ein guter Nebenverdienst 🙂

11) Aldi expandiert schon seit Jahren in den USA und ist dabei sogar recht erfolgreich.

12) Entlang vieler Radwege kann man solche genialen „Bike-Stations“ finden, welche Pumpe und Werkzeug bieten.