Archiv für den Monat: Juli 2018

Global #88: Private Führung durch die Fruchtbierbrauerei Lindemans // Brüssel (Europa Parlament) // Maastricht (EU-Vertrag) // Ankunft in Deutschland

Kurz vor Brüssel lege ich abends eine Pause ein und mache zufällig mit Steven und  seiner Familie Bekanntschaft, welche mich zu sich nach Hause einladen.

Zum Abendessen gibt es Reis mit Hühnchen und Ananas sowie einen Schoppen Roséwein, was für mich schon beinahe ein Festessen ist. 
Am nächsten Morgen organisiert Steven für mich eine private Brauereiführung bei seinem Arbeitgeber „Lindemans“.  Die Automation bei der Abfüllung, Etikettierung und Verkorkung ist ebenso beeindruckend wie der eigentliche Gärprozess, der mit einer wilden Gärung einzigartig ist und nur mit den Hefekulturen vor Ort gelingt. Anschließend wird das Bier noch zur Nachreifung bis zu einem halben Jahr gelagert bevor es in den Handel kommt.
Eine abschließende Bierverkostung fehlt selbstverständlich nicht und so komme ich in den Genuß das exzellente belgische Fruchtbier in der hauseigenem Brauereibar zu probieren. Von einem kleinen Familienunternehmen mit einer handvoll Mitarbeitern hat sich die Brauerei Lindemans mittlerweile zu einem namhaften Hersteller etabliert, der seine Biere unter anderem nach China und in die USA exportiert.
Bis Brüssel ist es nur noch ein Katzensprung und am Nachmittag des selben Tages unternehme ich eine Besichtigung durch die historische Altstadt, vorbei am Königspalast sowie dem imposanten Justizpalast und letztendlich zum Sitz des Europaparlaments im Herzen der Stadt.
Es ist der heißeste Sommertag in diesem Jahr in Belgien, doch am Himmel bilden sich bereits dicke Quellwolken und für den Abend sind Gewitter gemeldet, welche endlich die ersehnte Abkühlung bringen werden.
Bevor ich Belgien verlasse muss ich noch das exzellente Radwegenetz erwähnen, das entlang sämtlicher Straßen verläuft, wodurch man ungestört von Auto- und Lastkraftverkehr von Stadt zu Stadt radeln kann. Und natürlich ist Belgien auch eine passionierte Radfahrernation, was den Verkehr etwas entlastet. Gerade die Elektrofahrräder haben die Straßen erobert und im ganzen Land gibt es gefühlt weit mehr Fahrradläden als Autowerkstätten.
Über Maastricht verlasse ich Belgien und komme am Nachmittag des 28. Juli 2018 nach über einem Jahr Radreise, mehr als 30.000 Kilometern und mit jeder Menge Eindrücke und Erlebnisse aus 22 Ländern wieder in Deutschland an.
Belgiens Städte sind reich an  schöner Architektur und Details
Zu Besuch bei meinen belgischen Gastgebern
Die Brauereiführung bei der Firma Lindemans
Der Herstellungsprozess ist beeindruckend automatisiert und komplex.
Oben links: cooles Velomobil statt protziger Porsche Cayenne; unten links: auf vielen Radwegen sind auch Mopeds zugelassen; rechts: Radwege entlang der Straßen sind selbstverständlich
Links: Brüsseler Rathaus; rechts: Justizpalast in Brüssel
Innenstadt von Brüssel
Königspalast von Brüssel
Sitz des EU-Parlaments in Brüssel
Ankunft in Deutschland kurz vor Aachen

Global #87: Cambridge (Universität) // Fähre Dover – Calais // Museum Dünkirchen (Operation „Dynamo“)

Im Süden Englands führt mich meine Route durch die Universitätsstadt Cambridge. Nachdem ich über den Marktplatz und die historische Altstadt geradelt bin, besichtige ich noch die Cambridge Universität mit dem traditionsreichen „Kings College“. Wo schon früher der Adel studierte, paukt heute die Elite für das spätere Top-Management und auf den Straßen sieht man fein gekleidete junge Studenten aus aller Welt, die mit Retrodesign-Fahrrädern durch die Gassen bummeln und einmal mit viel Lebensweisheit die Geschicke in Politik und Wirtschaft lenken werden.

Lobenswert finde ich hingegen das ausgebaute Radwegenetz, welches sich über die ganze Stadt erstreckt, rege genutzt wird und somit auch zu weniger Autoverkehr führt.

Außerhalb solcher Vorzeigestädte ist die Infrastruktur, zumindestens im Osten Englands aber regelrecht in einem desolaten Zustand. Die Straßen sind mit Rissen und Flickenteppichen übersät, Radwege und Grünanlagen sind häufig mit Unkraut überwuchert und an den Hausfassaden und Mauern bröckelt der Putz. Spitz gesagt: es sieht vielerorts aus wie bei uns nach der Wende 🙂 Hat aber auch irgendwie Charme.
Die Themse überquere ich bei Tilbury und erspare mir einen Abstecher nach London, da ich den Verkehr wahrscheinlich nicht überlebt hätte. Stattdessen fahre ich nach Rochester und folge diversen Rad- und Wanderwegen hinunter zur Küste. Am frühen Morgen des 25. Juli 2018 erreiche ich die Stadt Dover und gelange nach einer kleinen Frühstückspause zum Fähr-Terminal, welches England (zusätzlich zum Eurotunnel) mit dem europäischen Festland verbindet. Bereits in den frühen Morgenstunden ist viel Betrieb, doch auf dem Fahrradstreifen gelange ich zügig zum Ticketschalter und erstehe für üppige 32,50 £ ein Ticket nach Calais. Obwohl die Fahrt über den Ärmelkanal nur knapp eine Stunde dauert, kommt man mit Einchecken und Verladen auf die dreifache Zeit.
Im Hafen von Calais angekommen werde ich vom Security Fahrzeug über das Hafenareal gelotst – spezieller Service für Radfahrer 😉

Anschließend geht es nach Dünkirchen wo ich mir das Museum zur Militär-Operation „Dynamo“ anschaue, welches die Evakuierung der Alliierten Streitkräfte vor der heranrückenden Deutschen Wehrmacht erläutert. Unter dem Beschuss, insbesondere durch die Deutsche Luftwaffe wurden Ende Mai / Anfang Juni 1940 insgesamt gut 340.000 britische und französische Soldaten mit Schiffen der Britischen Navy und der zivilen Schifffahrt gerettet.
Ein paar hundert Meter entfernt statte ich noch dem Kunstmuseum „LAAC“ (lieu d’art & action contemporaine) einen Besuch ab und vollende somit meinen historisch kulturellen Nachmittag.

Marktplatz in Cambridge und die Great St. Mary’s Kirche
Kings College (oben rechts) und das Umfeld in der Universitätsstadt Cambridge
Oben links: meine Kochkünste (bei weitem besser als die englische Küche ; ländliche Idylle in England
Schloss Rochester und Blick auf den Fluss Medway
Typisch englische Klischees: Rote Telefonzellen und Fish & Chips
Fahrt über den Ärmelkanal von Dover nach Calais
Museum Dünkirchen zur Operation Dynamo
Museum Dünkirchen
Kunstmuseum in Dünkirchen LAAC – sogar der gute alte Trabi hat es zu Ruhm und Ehre geschafft 🙂

Global #86: Zurück in Europa – Ankunft in Edinburgh/ Schottland

Der Flug von den USA nach England dauerte knapp sieben Stunden und bei Nieselregen landen wir am Mittwochmorgen auf dem Flughafen Edinburgh. Beim Entladen des Flugzeuges kann ich von meinem Fensterplatz zusehen und erkenne sogleich meinen weißen Packsack und mein Fahrrad, wobei ich mit Bauchschmerzen feststelle, dass die Flughafenkontrolle den Karton geöffnet  und sehr schlecht wieder mit Klebeband verschlossen hat. Bei der Gepäckrückgabe bin ich dann aber erleichtert dieses Mal keinerlei Schäden an meinem Fahrrad zu finden.

Bis ins Stadtzentrum von Edinburgh sind es nur gute zehn Kilometer, wobei ich unterwegs noch eine Frühstückspause einlege. Anschließend besichtige ich die  St. Mary Kathedrale und fahre am Edinburgher Schloss und der St. Giles Kathedrale vorbei. Mit meinem nachwirkenden Jetlag sind mir die unzähligen Touristen und der lebhafte Verkehr in der Altstadt aber zu anstrengend und so verlasse ich die Stadt bereits am frühen Nachmittag.

Auf wunderschönen Nebenstraßen geht es stattdessen durch das ländliche Schottland, wobei die steilen kurvigen Straßen meinen Fahrkünsten einiges abverlangen. Immer wieder nutze ich daher auch den Radweg „1“, der von Norden nach Süden verläuft und mir die engen stark befahrenen Straßen erspart.

Obwohl ich meine Englischkenntnisse gerade während meiner Reise durch die USA gut ausbauen konnte und selbst mit den herben Dialekten im Mittleren Westen zurecht kam, habe ich hier im Norden Englands so meine Probleme. In der Grafschaft Northumberland lausche ich immer wieder den Leuten auf der Straße und kann mit Mühe und Not nur wenige Wörter verstehen. Bei einer kleinen Pause und Bierverkostung in Yorkshire bestätigt mir ein Postbote dann auch, dass es gerade im Norden viele schwerverständliche Akzente gibt und ich hier und im Süden Englands aber sicherlich weniger Schwierigkeiten haben werde.

Flug von Providence USA nach Edinburgh England
Nach dem Transport ist die Fahrrad-Verpackung stark beschädigt.
St. Mary Kathedrale in Edinburgh
Oben links: Edinburgh Schloss; rechts: St. Giles Kathedrale
Bamburgh Castle
Nebenstraße in Schottland
Oben: Blick auf die Nordseeküste, unten: leckere Himbeeren
Die Radwege sind wunderschön aber nicht immer barrierefrei.
Stadt York: Stadttor, York Minster und York Schloss
Sonnenuntergang am Water Rail Way nahe der Stadt Lincoln

Global #85: White Mountain National Forest // Einladung in Concord // Boston (Tea Party)

Meine Wiedereinreise von Kanada in die USA über den Grenzübergang in der Kleinstadt Stanstead erfolgt ohne größere Probleme. Als der US-Beamte aber das iranische Visum in meinem Reisepass entdeckt muss ich ihm viele unnötige Fragen beantworten wie z.B. „ob ich Kontakte im Iran habe“, „ob ich dort geschäftlich unterwegs war“, „was mein Zweck meiner Reise ist“ oder „womit ich meine Einkünfte erwirtschafte“. Dass ich alle diese Fragen bereits bei meiner Visumbeantragung in der US-Botschaft beantworten musste hat er wahrscheinlich nicht verstanden.
Nichtsdestotrotz freue ich mich sehr wieder zurück in den Vereinigten Staaten zu sein und nehme Fahrt auf zum „White Mountain National Forest“. Das Mittelgebirge im US-Bundesstaat New Hampshire liegt nördlich von Boston und ist ein beliebtes Wander- und Skigebiet mit imposanten Bergen wie dem 1.917m hohen Mount Washington. Ich habe seit dem Pikes Peak in Colorado (Global #78) aber wenig Ambitionen übrig und fahre stattdessen direkt Richtung Boston und mache einen Abstecher nach Concord wo ich bei Lesley und Bob eingeladen bin, welche ich vor gut zwei Monaten in Utah getroffen habe.
Die folgenden zwei Tage zeigen sie mir die Umgebung wodurch ich auch einiges zur amerikanischen Geschichte und zur Unabhängigkeitsbewegung der USA erfahre, welche unter anderem hier ihren Ursprung hat. Im Jahre 1775 kam es im Umfeld der Städte Lexington und Concord  zu den ersten kämpfen im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zwischen bewaffneten amerikanischen Siedlern und Soldaten Großbritanniens. Hintergrund war eine ungerechte Steuer- und Abgabenpolitik der amerikanischen Kolonien an Großbritannien und ein zunehmendes Interesse an mehr Autonomie.
Nach der Verabschiedung von Bob und Lesley unternehme ich auch noch einen Besuch in Boston. Weltbekannt ist die Stadt für die Harvard Universität sowie dem Massachusetts Institute of Technology (kurz MIT). Jetzt im Juli ist  gerade keine Vorlesung und stattdessen Summer-School, wodurch die Universitäten auch für die Öffentlichkeit zugänglich sind und sich viele Interessierte für die Studienangebote erkundigen können. Nach einem Rundgang über die jeweiligen Campusse, welche jeweil so groß wie Kleinstädte sind, gelange ich nach einer Fahrt durch das Stadtzentrum zum Hafen. Hier ereignete sich im Jahr 1773 die sog. „Boston Tea Party“ als nach Streitigkeiten über die Tee-Besteuerung durch Großbritannien die Lage eskalierte und die amerikanischen Siedler daraufhin eine komplette Schiffsladung Tee der britischen „East India Company“ im Hafen versenkten.
Ich nehme von hier aus die Fähre und verlasse die Stadt am Nachmittag Richtung Süden zur Stadt Hingham, um meine Fahrt nach Providence fortzusetzen, von wo in wenigen Tagen mein Rückflug nach Edinburgh/ England gehen wird.
Verkehrsschilder in den USA und Kanada können wahre Kunstwerke sein.
Auf dem Weg von Kanada in die USA wird es zunehmend grüner.
White Mountain National Forest
Frühsport in Concord mit Bob (3. v. r.) und seinen Sportsfreunden.
O.l.: Bob und Lesley; o.r.: Bier nach einer Runde Radsport; unten: „Old north bridge“ in Concord (Schlachtpunkt im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg)
Harvard Universität in Boston
Massachusetts Institute of Technology in Boston
Stadtzentrum von Boston
Hafen von Boston

Global #84: Kingston // Montreal (Klimaabkommen FCKW 1987)

Mein nächster Abschnitt durch Kanada entlang der grünen Ufer des Ontario Sees führt mich nordöstlich von Toronto über Kleinstädte wie Belleville bis hinauf nach Kingston, wo der Ontario-See endet und in den Sankt Lorenz Strom übergeht. In der historischen Altstadt von Kingston mache ich eine längere Pause, besichtige die Hafenpromenade, das Rathaus sowie das „Fort Henry“, eine Festung, welche 1836 von den Briten erbaut wurde, aber niemals zum Einsatz kam.

Am 1. Juli ist „Kanada Tag“, welcher die seit 1867 bestehende Unabhängigkeit von Großbritannien feiert. In den Städten und Dörfern sind überall Festlichkeiten und Märkte im Gange, an den Seen trifft man sich gesellig zum Baden, Grillen und Trinken mit der Familie und abends werden spektakuläre Feuerwerke gezündet. Leider ist es an dem Tag extrem heiß und schwül, sodass ich den Tag lieber im schattigen Park oder mit Klimaanlage bei McDonald’s verbringe 🙂

Die Stadt Montreal erreiche ich am 3. Juli. Von Süden kommend muss ich den Sankt Lorenz Strom überqueren und wähle die Brücke „Pont Honoré Mercier“, welche die Stadt Kahnawake mit dem Montrealer Stadtteil Lasalle verbindet. Das Verbotsschild für Radfahrer ignoriere ich einfach, weil weit und breit keine andere Brücke verläuft und ich im zähen morgendlichen Berufsverkehr kaum ein Hindernis bin. Am anderen Ende der Brücke werde ich dann jedoch von einem Polizisten angehalten und belehrt, nicht auf dem Highway zu fahren. Ich gebe mich unwissend aber einsichtig und kann mich vor einem Bußgeld drücken.

Montreal ist vielen bekannt von dem gleichnamigen Montrealer Klimaabkommen von 1987, welches zu den bedeutendsten der Welt zählt und das Verbot von klimaschädlichem FCKW (Ozonkiller) festschreibt. Obwohl sich seitdem die Weltgemeinschaft an die Vorgaben hält, wurde erst vor kurzem durch Messungen festgestellt, dass es immernoch illegale FCKW-Quellen gibt. Die New York Times hat daraufhin mehrere Hersteller in China ermittelt, welche das Gas nach wie vor zur Produktion von Kühlschränken verwenden.

Der Link hierzu:
http://www.sueddeutsche.de/wissen/umwelt-new-york-times-entlarvt-chinesische-umweltverschmutzer-1.4032027

Das Kongresszentrum (Palais des congres de Montreal), wo im Jahr 2005 auch die UN-Klimakonferenz abgehalten wurde, liegt zwischen der Downtown und dem Hafen, unweit der Kathedrale „Notre Dame de Montreal“, sodass ich auch hier einen kurzen Zwischenstopp einlege. Anschließend geht es noch durch das Stadtzentrum bis  zur Brücke „Pont Jaques-Cartier“, welche sogar eine gesonderte Spur für Radfahrer hat und mich über die Insel „Ile Sainte-Helene“ aus der Stadt führt und mir zum Abschied nochmal einen beeindruckenden Blick über den Hafen und die dahinterliegende Stadt gewährt.

Hafenpromenade und Rathaus der Stadt Kingston
Waterfront Trail
Straßenschilder die man wahrscheinlich nur in Kanada findet.
Über gut ausgebaute Radwege gelange ich ins Stadtzentrum von Montreal.
Das Kongresszentrum von Montreal und die Notre Dame de Montreal
In der Downtown von Montreal ist die Polizei mit dem Fahrrad im Einsatz.
Rechts: Kirche St. James
Pont Jacques Cartier
Blick von der Pont Jacques Cartier auf Montreal
Warum manche Radwege nur von Mitte April bis Mitte November befristet sind bleibt mir unverständlich. Dafür bin ich über die vielen Reperaturstationen sehr erfreut. Wenig erfreut aber über die Mücken, welche jeden Abend über mich herfallen.