Vor 12 Jahren habe ich meine erste Radreise unternommen. Damals ging es von meiner Heimatstadt Triebes über Prag nach Dresden. Dieses Jahr habe ich mit Norwegen mein 40. Land mit dem Fahrrad bereist. Trotz Regenwetter und kühlen Temperaturen war es eine schöne Reise. Aber lest am besten selbst…
Pünktlich zum Ferienbeginn starte ich mit meiner Freundin Julia am Freitagnachmittag mit dem Zug Richtung Berlin. Wir haben einen Besuch bei Nico eingeplant und gehen abends libanesisch essen in Neukölln. Da wir uns seit einem Jahr nicht gesehen haben, haben wir natürlich viel zu erzählen.Anschließend unternehmen wir eine kleine Rundfahrt über den ehemaligen Flughafen Tempelhof, der seit seiner Stilllegung Raum für sportliche Aktivitäten, Stadtgärten, Musiker und vieles mehr bietet.
Am Samstag geht es mit den Rädern zum Zentralomnibusbahnhof Berlin, welcher weit im Westen der Stadt liegt. Der Bus fährt pünktlich ab und trotz Stau auf der Autobahn erreichen wir auch unseren Anschlussbus in Hamburg.
Bei Fehmarn setzen wir mit der Fähre nach Dänemark über und haben unsere erste Grenzkontrolle. Das Schengen Abkommen ist weiterhin ausgesetzt, sodass wir auch an der Grenze zu Schweden und Norwegen stets gründlich kontrolliert werden. Dabei müssen immer alle Fahrgäste den Bus verlassen und sich in einer Reihe aufstellen. Anschließend muss jeder seinen Reisepass vorzeigen und insbesondere die südländischen Reisenden (Araber, Afrikaner) werden akribisch befragt, während bei den übrigen in der Regel nur ein kurzer flüchtiger Blick in den Ausweis erfolgt.
Nach einer unruhigen Nacht kommen wir am Sonntagmorgen gegen 9 Uhr am Busbahnhof Oslo Galleriet an. Die Stadt hängt noch unter einer dicken Regendecke und so beschließen wir uns für eine kleine Stadtrundfahrt. Zunächst geht es vorbei am Schloss und durch die Johanns Gate Straße zum Rathaus. In dem imposanten Ziegelsteinbau wird jährlich der Nobelpreis verliehen und unweit entfernt befindet sich auch das Nobelpreiszentrum. Danach bummeln wir noch entlang der Hafenpromenade und fahren vor bis zur Oper, welche durch ihre spektakuläre Architektur aus dem Stadtbild hervorsticht.
Am Montagmorgen, den 20.07.2020, starten wir unsere eigentliche Radtour. Das Stadtzentrum von Oslo lassen wir schnell hinter uns und fahren entlang der Fernstraße E6 über Jessheim und Raholt. Ab der Ortschaft Minnesund folgen wir dem See Mjosa auf der Ostseite. Die Küste ist steil, sodass es abends immer Schwierigkeiten bei der Zeltplatzsuche gibt. Als wir am ersten Abend in der Nähe von Feiring auf einer Weide campieren, kommt uns der Besitzer besuchen und erklärt uns freundlich, dass wir eigentlich nicht auf kultivierten Flächen übernachten dürfen. Er ist jedoch sehr entgegenkommend, hat keine Einwände dass wir eine Nacht bleiben und empfiehlt uns am nächsten Morgen den Imbiss in Bilitt, wo es das leckerste Softeis weit und breit geben soll.
Nach einer ruhigen Nacht geht es früh am Morgen weiter nach Gjovik und kurz hinter Skreia machen wir selbstverständlich Halt am Imbiss Bilitt und schlemmen ein mega leckeres Softeis mit Nougatcreme 🙂
In der Stadt Gjovik erledigen wir dringende Einkäufe und speisen Mittag in einem Kebab. Überrascht werden wir jedoch von den horrenden Preisen, da uns zwei Döner stolze 17€ kosten!
Als es am Nachmittag wieder wechselhaft wird, machen wir eine kurze Pause auf einem Rastplatz kurz vor der Stadt Biri. Der Strand und der schöne Blick über den See sind so faszinierend, dass wir beschließen unser Zelt gut versteckt hinter einem verlassenen Ferienhaus aufzuschlagen.
Die Stadt Lillehammer erreichen wir am Mittwoch, den 22.07.2020. Die Stadt war 1994 Austragungsort der Olympischen Spiele und ist unter Wintersportfans sehr bekannt. Zunächst besuchen wir jedoch das Freilichtmuseum „Maihaugen“, wo auf mehreren Hektaren historische Häuser und Nachbauten einen Eindruck von Norwegens Geschichte vermitteln. Beeindruckend sind insbesondere die Jahrhunderte alten Pfarrhöfe, Stabkirchen, Siedlerhäuser und Bauernhöfe. Aber auch der rekonstruierte Stadtteil mit Häusern aus dem 20. Jahrhundert vermittelt interessante Einblicke in die jüngere Stadtgeschichte von Lillehammer. Er umfasst mehrere Häuser mit den Einrichtungen aus den Jahren 1920 bis 1990 und erzählt zudem auch die Geschichten der Familien, welche die Stadt mit geprägt haben.
Nach der Besichtigung des Freilichtmuseums radeln wir hinüber zum Olympia Park und besteigen die Ski-Schanze mit ihren 936 Stufen. Der Aufstieg ist anstrengend, doch es wird gerade auf der kleineren Sprungschanze trainiert, sodass wir den Nachwuchssportlern beim Absprung zuschauen können.
Am späten Nachmittag wollen wir noch ein paar Kilometer rausradeln und so geht es auch für uns sportlich straff weiter bis zur Stadt Ringebu. Vollkommen erschöpft erledigen wir in der Stadt noch fix unsere Einkäufe für das Abendessen und schlagen umser Zelt außerorts auf einer Wiese auf.
Am Donnerstag erreichen wir endlich unser Etappenziel, die Stadt Vinstra. Hier entstand die Erzählgrundlage des gleichnamigen Gedichtes von Henrik Ibsen. Und der Komponist Edvard Grieg hat hierfür später die weltberühmte Peer Gynt Sinfonie verfasst.
Hinter der Stadt verlassen wir die Route entlang der stark befahrenen Straße E6 und kämpfen uns mühsam hinauf zum See „Feforvatnet“, wo unser Radweg „Mjølkevegen“ (Milchweg) beginnt. Es folgt für uns die bisher beeindruckendste Etappe durch endlose Hochlandebenen, Wälder und satten Almlandschaften. Am Tagesende erreichen wir noch den See „Olstappen“ und finden einen traumhaften Platz zum Zelten mit Strand, Sitzgelegenheiten und Feuerstelle. Die Nacht soll jedoch frostig werden mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt.
Am Abend des 23.07.2020 am See Olstappen bekommen wir noch Besuch von einem norwegischen Fischer. Er ist erfreut deutsche Radfahrer zu treffen und nachdem er sein Fischerboot vom Autoanhänger in den Olstappen See gesetzt hat, lädt er uns spontan ein mit hinaus zu fahren und die Fischernetze zu setzen. Natürlich wollen wir uns das nicht entgehen lassen, ziehen uns noch fix die warmen Jacken über und schon kann es losgehen. Während der Fahrt erzählt uns der Norweger, dass er als junger Mann in die USA/ Minnesota ausgewandert ist, dort Versicherungsmakler war und mit einer Amerikanerin verheiratet war, jedoch die Ehe nach 17 Jahren gescheitert ist und er somit wieder zurück nach Norwegen kam.
Auch ein paar Wörter Deutsch beherrscht er und erzählt uns zudem, dass er Skisprung-Sportler war und sogar einmal in Klingenthal war.
Während er uns all das erzählt setzt er gekonnt die Fischernetze, welche nur gut einen halben Meter tief sind und auf einer Seite mit Gewichten beschwert sind, damit sie im Wasser stehen. Die einzelnen Netze simd jeweils gut 25m lang und werden vom Ufer zur Seemitte ausgelegt. Damit man sie wieder findet sind an den Enden Schwimmkörper aus Styropor befestigt.
Nachdem alle Netze gesetzt sind fahren wir zurück ans Ufer und bekommen noch erklärt, dass der See als Pumpspeicherwerk genutzt wird und dadurch der Wasserspiegel immer stark variiert. Außerdem führt an dem See entlang eine Route der Elche, welche immer im Frühjahr und Herbst hier durchkommen. Früher hat man daher ein ganzes System aus Fallgruben errichtet, welche heute noch zu finden sind.
Nach diesem tollen Abend verabschieden wir uns von unserem Gastgeber und starten am nächsten Morgen frisch und gut ausgeschlafen in den Tag. Nach einer steilen Auffahrt geht es ins Hochland und vorbei an den Bergen „Vestfjellkampen“ (1.302m) und „Buhø“ (1.327m) bis zum See Vinstra. Das Wetter ist sonnig aber frisch und der Blick in die Ferne über Seen und Berge ist atemberaubend. In den vom Tourismus geprägten Ort Beitostolen erledigen wir dringende Einkäufe und radeln am Nachmittag die letzte Etappe hinauf zum See „Fleinsendin“, wo wir unser Zelt aufschlagen.
Am Samstag, den 25.07.2020 starten wir noch ein letztes Mal bei Sonnenschein in den Tag. Denn von Sonntag bis in die nächste Woche ist kaltes regnerisches Wetter gemeldet. Und so haben wir uns entschieden unsere Radtour ein wenig abzukürzen und fahren nach der Überquerung des Bergrückens Mugnetinden (1.300m) direkt weiter nach Ryfoss. Den geplanten Abstecher entlang der Seen Vangsmjøse und Tyin lassen wir somit ausfallen.
Auf unserer Fahrt ins Tal nach Ryfoss verlieren wir nochmal unzählige Höhenmeter, welche wir dann gleich wieder mühsam zum See Midtre Syndin hochstrampel müssen. Julia wird es dabei etwas schlecht, sodass wir mehrere kleine Pausen einlegen und oben angekommen erstmal Mittagessen kochen. Zur Belohnung köcheln wir uns eine Reis-Gemüsepfanne mit Krakauer Würsten und süß-saurer Soße.
Den Mjølkevegen folgend gelangen wir an diesem Nachmittag noch bis kurz hinter Vaset, wo wie weit abgelegen unser Zelt aufschlagen und uns eine eiskalte Erfrischung in einem nahegelegenen See gönnen.
Unser vorletzter Reisetag, der 27.07.2020, ist ein furchtbar verregneter kalter Sonntag.
Am Morgen ist es bereits grau und nebelig, aber zumindest noch trocken. Wir frühstücken gleich im Zelt, trinken einen heißen Tee und packen anschließend unsere Sachen. Aufgrund der schlechten Wettervorschau wollen wir nur bis zum Mittag radeln. Unsere Route führt entlang des Mjølkevegen über Knatten und vorbei am See Tisleifjorden. Das neblige trübe Wetter ist für uns zwar etwas ungemütlich, verleiht der Landschaft aber auch den typischen norwegischen Stil. Unser Ziel ist der Berg Storefjell, wo unweit entfernt laut Karte eine Grillhütte eingezeichnet ist. Der Berg Storefjell ist 1.149m hoch gelegen und beliebtes Skigebiet, wovon mehrere Lifte, Skihänge, Hütten und Hotels zeugen. Nachdem wir einen kurzen Blick über das Tal genossen haben, beginnt es leicht zu regnen. Zum Glück erreichen wir nach nur gut einer Viertelstunde unsere Schutzhütte und sind erfreut, dass es sich um eine massive Hütte mit Tür und Fenstern, Bänken und Feuerstelle handelt. Bis zum Abend machen wir es uns drinnen gemütlich, zünden Kerzen an, kochen warmen Tee, essen Kekse, lesen Bücher und lauschen dem Tröpfeln des Regens. Erst am Abend stellen wir unser Zelt auf und legen uns kurze Zeit später schlafen. In der Nacht ist es stürmisch und verregnet und zudem wird es im Zelt unerwartet nass. Mitten in dee Nacht, so gegen 2 Uhr morgens, wird Julia wach und muss feststellen, dass ihre Wärmflasche (für ihre immer kalten Füße 🙂 geplatzt ist. Der ganze Fußbereich im Schlafsack ist natürlich nass und Julias Füße eiskalt. Zum Aufwärmen und Einpacken ihrer Füße gebe ich ihr meinen Pullover und so kommen wir beide noch recht gut durch die Nacht. Am Montagmorgen hat glücklicherweise der Regen aufgehört und während unserer Abfahrt bis Gol kämpft sich mehr und mehr die Sonne durch. In der Stadt endet unsere Radtour und wir bummeln vormittags noch ein wenig durch die Stadt und verbringen den restlichen Tag im Stadtpark, wo wir unsere nassen Schlafsäcke, das Zelt und sonstige Kleidung trocknen.
Unser Bus bringt uns gegen 21 Uhr zurück nach Oslo, wo wir die restliche Woche bis Freitag verbringen und uns das Stadtzentrum, die Ski-Schanze auf dem Berg Holmenkollen und die Festung Akershus anschauen.